Project description
Aufgrund des demographischen Wandels, des Fachkräftemangels, sowie dem Wunsch älterer Personen, möglichst lange selbständig zu Hause zu leben, werden zunehmend vernetzte Technologien des Active & Assisted Living (AAL; «umgebungsunterstütztes Leben») als wichtiges Element erkannt, wie bspw. automatischer Sturznotruf, Anwendungen zum Rehabilitationstraining zu Hause oder die Messung und Übermittlung medizinischer Parameter. Die Akzeptanz der Zielgruppe ist dabei ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Umsetzung. Das Ziel des Projektes war, die potenziellen Endnutzer/innen, also ältere Menschen, Angehörige, etc., frühzeitig bei der Entwicklung solcher Technologien zu partizipieren, um die Entwicklungen an den realen Bedürfnissen des täglichen Lebens anzupassen und akzeptierte sowie nachhaltige Lösungen zu generieren. Zu diesem Zweck wurde ein Living Lab aus 20 Ostschweizer Privathaushalten für die Testung technischer Assistenzsysteme in der privaten Wohnumgebung aufgebaut. Getestet wurde ein sensorbasiertes System über drei Monate hinweg. Zentraler Grundpfeiler sowohl im Aufbau als auch im nachfolgenden Betrieb des Living Labs war die Partizipation der Endnutzer/innen im Sinne der gleichberechtigten Mitgestaltung. Das Living Lab wurde in Partnerschaft von Bevölkerung, Technik/Wirtschaft, Forschung und Politik aufgebaut, da nur auf dieser breiten Basis die Entwicklung nachhaltiger Lösungen für ein selbstbestimmtes Altern im eigenen zu Hause möglich wird.
What is special about the project?
Ein Living Lab bietet die Möglichkeit, technische Assistenzsysteme oder Innovationen in der alltäglichen und realen häuslichen Umgebung von Senioren/innen über einen längeren Zeitraum zu testen im Gegensatz zur herkömmlichen Testung in einer zeitlich limitierten, künstlichen Laborsituation. Ein Living Lab ist ein neues Konzept der Feldtestung, bei welchem Technik direkt bei den Menschen in ihrer häuslichen Umgebung, dies können Privatwohnungen, Servicewohnungen oder betreute Wohnformen sein, über einen längeren Zeitraum hinweg (3 - 6 Monate) getestet wird. Alle am Living Lab teilnehmenden Haushalte bilden zusammengenommen ein Netzwerk, ein «Labor» (im Sinne eines Raumes für wissenschaftliche Erkenntnisse), und können gemeinsam in den verschiedenen Phasen einer Produkt- oder Dienstleistungsentwicklung mitwirken. Dies ist eine geeignete Möglichkeit um technische Assistenzsysteme nutzerzentriert und partizipativ zu entwickeln und so eine hohe Akzeptanz dieser Innovationen zu erreichen. Ein solches Living Lab mit der Zielgruppe 65+ wurde im Rahmen des Projektes AALivingLab@home in der Schweiz erstmalig aufgebaut. Zur Überprüfung der Bedürfnisse und Akzeptanz des Assistenzsystems wurden im Living Lab zu mehreren Zeitpunkten Daten mittels qualitativer und quantitativer Methoden erhoben.
Der Ansatz der Living Labs als reale häusliche Testumgebung hat grosses Potential für Forschung und Entwicklung. Denn in der realweltlichen Lebensumgebung entwickelte Technologien oder Dienstleistungen entsprechen den echten Bedürfnissen der Endnutzer/innen und sind damit auf dem Markt mit grösserer Wahrscheinlichkeit erfolgreich. Auch Barrieren und Vorbehalte können analysiert werden. Zudem können valide und verallgemeinerbare Daten gewonnen werden. Ein Living Lab hat eine Brückenfunktion und fördert den direkten Austausch zwischen Endnutzern/innen, Industrie und Forschung.
Trotz der Vorteile des Living Lab Ansatzes lassen sich auch verschiedene Herausforderungen erkennen. Die Rekrutierung ist aufwendig und Teilnehmer/innen sind sorgfältig auszuwählen. Der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zwischen Forschenden und Testenden ist essentiell, da die Teilnehmenden viel Privates preisgeben. Wesentlich ist weiter die engmaschige Betreuung der Teilnehmenden - auch um Ausfälle bei der langfristig angelegten Teilnahme zu vermeiden. Die Durchführung der Testungen ist zeitaufwendig für alle Beteiligten (Forschende und Testende). Hemmende Faktoren wie Angst vor der Nutzung unbekannter Technologien müssen ebenfalls berücksichtigt und überbrückt werden. Ein Living Lab zu managen braucht viel Zeit, Geduld und gute Koordinationsfähigkeiten.
Status/Results
Das Projekt ist abgeschlossen. Es wurde ein Forschungskonzept entwickelt und anhand gemachter Erfahrungen und Rückmeldungen von Experten aus anderen europäischen Living Labs angepasst. Es konnten 20 Privathaushalte rekrutiert werden, wovon 15 Privathaushalte das technische Assistenzsystem aus dem Bereich Sensorik über drei Monate hinweg bei sich zu Hause testeten. Aus dem erhobenen Datenmaterial wurden verschiedene Verbesserungsvorschläge abgeleitet. Beispielsweise war die Reichweite der Funkverbindung in einer mehrere Stockwerke umfassenden Wohnung unzureichend, oder das Licht der LED-Lichtleiste wurde als zu grell empfunden. Darüber hinaus konnten verschiedene Erkenntnisse im Bereich Technikakzeptanz gewonnen werden. Akzeptanzfördernd sind z.B. klare Funktionen, einfache Bedienung und Wartung, ein erkennbarer Mehrwert des Technikprodukts, günstige Anschaffungs- und Unterhaltskosten sowie ein guter Zugang zu Servicedienstleistungen. Akzeptanzhemmend sind eine hohe Bedienungskomplexität, Fehlfunktionen oder Stigmatisierungen, die mit dem Gerät verbunden sind.
Das Projekt hat die inhaltliche Ausrichtung und Fokussierung auf das Thema AAL an der Fachhochschule St.Gallen vorangetrieben. Dadurch wurde das Konzept der Living Labs ausdifferenziert und weitere Projekte wurden beantragt. Bewilligt wurden das Innovationsnetzwerk AGE-NT (Alter(n) in der Gesellschaft: Nationales Innovationsnetzwerk, gefördert vom SBFI mit 4 Mio. Franken), bei welchem das IKOA-FHS die Gesamtleitung des derzeit grössten Altersforschungsprojektes der Schweiz und die Leitung des Clusters AAL innehat. Aufgrund der Kompetenzentwicklung fand auch eine Einbindung ins "IBH Living Lab Active & Assisted Living" statt. Beteiligt daran sind 12 Hochschulen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie unterschiedliche Sozialdienstleister und Technologieanbieter, die gemeinsam ein "belebtes Labor" in der Bodenseeregion etablieren möchten. Zudem folgt eine Beteiligung am KTI Projekt SmartCuff, in welchem Testungen in den Living Labs durchgeführt werden. Dies trägt zur verbesserten Sichtbarkeit der AAL-Thematik und der Forschungsmethode Living Lab inner- und ausserhalb der FHS bei. Die Hebelwirkung besteht darin, dass viele neue Kontakte geknüpft und unterschiedliche Partner für das Thema sensibilisiert wurden. Dadurch ist es möglich sowohl Industriepartner als auch ältere Endnutzer/innen für weiterführende
Projekte zu gewinnen und marktfähige Produkte zu entwickeln, die einen längeren selbständigen Verbleib in der eigenen Häuslichkeit erlauben. Dank der Profilierung in diesem Bereich ist die Weiterführung der Living Lab-Methode gesichert, so dass in Zukunft, durch die verfeinerte und angepasste Methodik, eine strukturierte Auswertung der Ergebnisse ermöglicht wird.
Publications
Misoch, S. (2018). Ageing Society geht uns alle an. Campus, 1, 1-2.
Waeber, D. (2018). Trends und Themen zur alternden Gesellschaft. Campus, 1, 3. Lehmann, S., & Pauli, C. (2018). Living Lab 65+: Hilfen für Senioren im Test. Campus, 1, 7. Pauli, C., Misoch, S. & Lehmann, S. (2018). AALivingLab@home – Aufbau einer natürlichen
Testumgebung für AAL-Innovationen in der Ostschweiz. Beiträge im Tagungsband zur Tagung SMART-FUTURE-LIVING Bodensee (in press).
Pauli, C., Misoch, S. & Lehmann, S. (2017). AALiving Lab@home – Aufbau einer natürlichen Testumgebung für AAL – Innovationen in der Ostschweiz. Vortrag Tagung SMART-FUTURE- LIVING Bodensee (24. November 2017).
Lehmann, S., Ruf, E., & Misoch, S. (2017). Living Labs – eine internationale Zusammenarbeit rund um den Bodensee. Eulenblick, 2, 2-3.
Misoch, S., Meienberger, B., Pauli, C., Lehmann, S., & Wörwag, S. (2017a). Allgemeines Modell der IKOA AAL-Living Labs. Posterbeitrag uDay XV – Umgebungsunterstütztes Leben, Dornbirn (22. Juni 2017).
Misoch, S., Meienberger, B., Pauli, C., Lehmann, S., & Wörwag, S. (2017b). Allgemeines Modell der IKOA AAL-Living Labs. In G. Kempter & I. Hämmerle (Hrsg.), Beiträge zum Usability Day XV. Umgebungsunterstütztes Leben (76-82). Lengerich: Pabst Science Publishers.
Lehmann, S., Pauli, C., & Misoch, S. (2017a). AALiving Lab@home – Aufbau einer natürlichen Testumgebung für AAL (Active & Assisted Living)-Innovationen in der Ostschweiz.
Posterbeitrag uDay XV – Umgebungsunterstütztes Leben, Dornbirn (22. Juni 2017). Lehmann, S., Pauli, C., & Misoch, S. (2017b). AALiving Lab@home – Aufbau einer natürlichen
Testumgebung für AAL-Innovationen in der Ostschweiz. In G. Kempter & I. Hämmerle (Hrsg.), Beiträge zum Usability Day XV. Umgebungsunterstütztes Leben (76-82). Lengerich: Pabst Science Publishers.
Misoch, S. (2017). Living Labs – ein neuer Forschungsansatz. Eulenblick, 1, 3-4.
Misoch, S., Meienberger, B., Pauli, C., Lehmann, S., & Wörwag, S. (2016). Allgemeines Modell der IKOA AAL-Living Labs. Posterbeitrag AAL-Forum, St.Gallen (26.-28. September 2016) / Posterbeitrag Silver Economy, Fribourg (28. November 2016).
Lehmann, S., Pauli, C., & Misoch, S. (2016). AALiving Lab@home – Aufbau einer natürlichen Testumgebung für AAL (Active Assisted Living)-Innovationen in der Ostschweiz. Posterbeitrag AAL-Forum, St.Gallen (26.-28. September 2016).
Media
Roboter, wasch mich bitte!, B. Knellwolf, St Galler Tagblatt, 08.12.2017
Die Jugend ist kürzer als das Alter, K. Brenner und R. Weik, St.Galler Tagblatt, 14.12.2016
Erfolgreiche Brückenbauerin, L. Fiechter, St. Galler Tagblatt, 08.01.2016
Links
Persons involved in the project
Last update to this project presentation 17.07.2018