Project description
Die Siedlungslandschaft der Schweiz steht unter grossem Druck. Um eine weitere Ausweitung der Siedlungen und damit den Landschaftsverbrauch zu verhindern, muss die künftige Siedlungsentwicklung nach Innen fokussiert werden. Dies stellt die Städte und Gemeinden in der Schweiz vor grosse Herausforderungen, besonders die kleineren und mittleren: Denn sie besitzen zwar etwa zwei Drittel der grössten Siedlungsflächenreserven in der Schweiz, haben jedoch meist wenig Ressourcen für die komplexen Planungsprozesse mit vielfältigen Interessens- und Akteurskonstellationen. In den Hintergrund rücken dabei vielfach die sozialräumlichen Aspekte, obgleich allen Akteurinnen und Akteuren bewusst ist, dass die Raumentwicklung zum Beispiel unser Zusammenleben, unsere Wohn- und Freiraumqualitäten oder auch unser Mobilitätsverhalten massgeblich beeinflusst.
Dass sozialräumliche Aspekte häufig wenig berücksichtigt werden, liegt zum einen daran, dass es an Wissen über ebendiese Aspekte sowie an Formaten, diese angemessen in Planungsprozesse einzubeziehen, fehlt. Zum anderen werden Ergebnisse von Planungsprozessen selten evaluiert bzw. auf ihre Zielerreichung hin kontrolliert, sodass die Gefahr hoch ist, wichtige Themen im Laufe des Prozesses zu „verlieren“.
Vor diesem Hintergrund wird mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Drehscheibe Sozial.Raum.Planung (SoRaP)“ (vormals „Kompass Verdichtung“) eruiert, wie sozialräumliche Themen wirksam in Prozessen der Raumentwicklung verankert werden können. Diese Prozesse erfordern innovative und interdisziplinäre Herangehensweisen, welche nicht auf einem Erklären „von oben herab“ und rezeptartigen Vorgehen basieren können, sondern stark auf die spezifische Situation vor Ort und die unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten und Betroffenen eingehen. Daher wird in diesem Projekt in Zusammenarbeit mit zwei Gemeinden und einer Reihe von Expertinnen und Experten ein Ansatz entwickelt und erprobt, der offen, dialogisch und kooperativ gestaltet ist.
What is special about the project?
Die Besonderheit und Neuartigkeit des Projekts liegt zum einen in der spezifischen Thematisierung sozialräumlicher Aspekte der Raumentwicklung, zum anderen in der offenen, dialogischen und kooperativen Entwicklung eines geeigneten Vorgehens anhand konkreter planerischer Vorhaben in zwei Gemeinden. Mit den Gemeinden sowie mit Fachpersonen aus unterschiedlichen Bereichen von Forschung, Entwicklung und Praxis wurden Gesprächs- und Reflexionssituationen der kooperativen und dialogischen Auseinandersetzung und Aushandlung geschaffen, und damit der Blick um neue innovative Lösungsansätze erweitert.
Hilfreich hierfür waren unter anderem die disziplinäre Breite des Projektteams am Institut für Soziale Arbeit (Arbeitsschwerpunkt „Wohnen und Nachbarschaften“) der FHS St. Gallen: Vertreten sind die Disziplinen Soziologie, Raumplanung, Architektur, Geografie, Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaften. Diese verschiedenen Perspektiven sowie die sozialräumliche Betrachtung von gebauter Umwelt, Individuen/Akteuren und Prozessen halfen, der Komplexität der Raumentwicklung gerecht zu werden.
Status/Results
Im Projekt wurden vier Dialogformen etabliert und ausgestaltet: Im Zentrum stand der Gemeindedialog, in welchem die für die Gemeinden relevanten Themen und Fragen rund um sozialräumliche Aspekte in der Raumentwicklung aufkommen. Er wurde gespeist von weiteren Dialogen:
Der Fachdialog bestand aus zwei verschiedenen Elementen: Einerseits fand in unterschiedlichen Formen und Intensitäten der Austausch von und mit Fachleuten statt (z. B. Interviews, Workshops, gemeinsame Analysen). Andererseits beinhaltete der Fachdialog auch die Recherche und Auseinandersetzung mit bestehenden Forschungsarbeiten sowie weiteren relevanten Dokumenten (z. B. Leitfäden, Checklisten, Medienberichten). Der FHS-Dialog diente dem Austausch mit Fachleuten der FHS St. Gallen sowie erweitert der Fachhochschule Ostschweiz (FHO). Der Evaluationsdialog beinhaltete die kritische Reflexion von Zwischenschritten mit den beteiligten externen Fachbegleitern.
Alle Dialoge dienten dazu, zunächst die sozialräumlichen Fragestellungen, die sich im Kontext von Raumentwicklung stellten, aufzuspüren – und dann auch mögliche Antworten darauf zu entwickeln. Diese vielfältigen Fragen und möglichen Antworten auf diese Fragen, wurden aufgearbeitet und in ein Angebot für Gemeinden und andere Akteurinnen und Akteure der Raumentwicklung überführt: die Drehscheibe Sozial.Raum.Planung (SoRaP) – eine Anlaufstelle für sozialräumliche Themen in der Raumentwicklung.
SoRaP bietet Unterstützung bei der Thematisierung, Verankerung und Umsetzung sozialräumlicher Themen im Kontext von Raumentwicklungsvorhaben, beispielsweise bei der Erarbeitung von Grundlagen, der Definition von Zielen und der Ausarbeitung von Lösungen. Ausgangspunkt ist jeweils eine konkrete sozialräumliche Frage einer Gemeinde oder auch eines anderen Akteurs, einer anderen Akteurin der Raumentwicklung. Passende Antworten entwickeln wir auf Grundlage eines breiten, systematisch interdisziplinär erarbeiteten und erweiterbaren Repertoires an Wissensressourcen und methodischem Handwerkszeug, welches wir flexibel an das lokalspezifische Raumentwicklungsprojekt angepasst anwenden können, sei es im Rahmen eher kurzfristiger Aufträge, sei es im Rahmen langfristiger Begleitungen.
SoRaP wird getragen von einem interdisziplinären Team am Institut für Soziale Arbeit der FHS St. Gallen, das über langjährige Erfahrung in Forschung, Entwicklung und Beratung zu sozialräumlichen Themen verfügt. Hinzu kommt ein im Laufe des Projekts aufgebauter Pool an Expertinnen und Experten, welche ebenfalls miteinbezogen werden können.
Das Projekt wurde per Oktober 2018 abgeschlossen, wobei der offizielle Abschluss eher eine Etappe denn ein Endziel markiert: Das Projekt ermöglichte dem bearbeitenden Team der FHS St. Gallen, sich im Feld des „Sozialräumlichen in der Raumentwicklung“ vielfältige Kompetenzen und Kontakte aufzubauen, sich darin zu positionieren und zu vernetzen. In diesem Sinne ist das Projektende auch ein Anfang, nämlich der kooperativen Verstetigung und kontinuierlichen Weiterentwicklung der Anlaufstelle für sozialräumliche Themen in der Raumentwicklung.
Publications
Hilti, Nicola (2017): Zu Hause im goldenen Zeitalter der Mobilität? Hintergründe, Ausprägungen und Folgen neuer mobiler Lebensformen. In: Collage – Zeitschrift für Planung, Umwelt und Städtebau, 5/2017, S. 6–8
Hilti, Nicola/Lingg, Eva/Reutlinger, Christian (2017): Durchmischtes Wohnen. Ein Beispiel sozialräumlicher Planungspraxis. In: Sozialmagazin, 5-6., S. 66-73;
Reutlinger, Christian/Stiehler, Steve/Lingg, Eva (Hrsg.) (2015): Soziale Nachbarschaften. Wiesbaden: VS Verlag;
Brüschweiler, Bettina/Lingg, Eva (2015): Durchmischung ist kein Patentrezept, in: kommunalmagazin.ch 1/2015, S. 56–58;
Lingg, Eva/Stiehler, Steve (2010): Nahraum, in: Reutlinger, Christian/Fritsche, Caroline/Lingg, Eva (Hg.) (2010): Raumwissenschaftliche Basics. Eine Einführung für die Soziale Arbeit, Wiesbaden: VS Verlag: S. 169–179;
Reutlinger, Christian/Lingg, Eva/Sommer, Antje (2010): Tür an Tür im Siedlungsbrei, in: zoon politikon. September 2010, S. 6–8;
Schöffel, Joachim/Reutlinger, Christian/Lingg, Eva/Nüssli, Rahel/Obkircher, Stefan (2010): S5-Stadt – Kontur einer alltäglich gelebten Agglomeration. E-Reader
Download
Media
St. Galler Tagblatt (8. Januar 2016):
Erfolgreiche Brückenbauerin, von Leandra Fiechter
Lea Müller (2016): Der Kompass zeigt nach innen, substanz, Nr. 2/2016, S. 31 bis 33;
Hilti, Nicola/Lingg, Eva/Roth, Patricia (2016): «Verdichtet bauen – aber wie?», Interview zum BREF Projekt «Kompass Verdichtung – bauliche Verdichtungsprojekte kooperativ umsetzen», substanz, Nr. 2/2016, S. 34 bis 37;
Sarganserländer (18. Juni 2018): «In Vilters-Wangs plant die Bevölkerung mit», von Patricia Hobi
IfsaBlog
Busfahrt mit raumplanerischen Ein- und AusblickenIfsaBlog
Verdichtet bauen, aber wie?IfsaBlog
Der Kompass zeigt nach innenIfsaBlog
Schulklassen-Besuch: Wie man eine «Badi» baut
Links
Persons involved in the project
Last update to this project presentation 18.11.2020