Projektbeschreibung
Wissenschaftliche und technische Innovationen der letzten Jahrzehnte sind bestimmend für die schweizerische Gesellschaft und Volkswirtschaft. Während die Herstellung von Produkten in zunehmendem Masse ins Ausland verlagert wird, findet in der Schweiz eine Konzentration auf konzeptionelle und analytische Aufgaben statt, die meist spezialisierte Kenntnisse im MINT-Bereich voraussetzen. Gemäss Erhebungen des Bundesamtes für Statistik fehlen der Schweiz jedoch gerade hier die Fachkräfte. Zudem zeigen Schülerinnen und Schüler nur ein geringes Interesse an den einzelnen MINT-Fächern.
Der Nachwuchsmangel auf der einen Seite und eine in zunehmendem Masse verbreitete scientific iliteracy im MINT-Bereich auf der anderen Seite gaben Anlass für das von den Akademien der Wissenschaften Schweiz in Auftrag gegebene Studie MINT-Nachwuchsbarometer.
Die aktuelle mediale Darstellung des Ingenieurberufs wird hier jedoch nicht berücksichtigt. Bedenkt man die Rolle, die die Medien für die Entscheidungsfindung der Zielgruppe (potenzielle Studienbewerber) heute spielen, erscheint es dringend notwendig, Medienbild und Entstehung genauer zu analysieren: Die mediale Darstellung des Berufsbildes entwickelt sich in Zusammenarbeit von Redaktion (Medienseite) und Öffentlichkeitsarbeit (der Bildungseinrichtungen und Unternehmen). Nach einer Analyse des aktuellen Ingenieurbildes, will die Studie auch dieses Zusammenspiel näher beleuchten. Parallel dazu wurden auch potenzielle MINT-Studierende nach ihren Mediennutzungsgewohnheiten und -Eindrücken gefragt.
Diese Studie soll das MINT-Nachwuchsbarometer ergänzen. Die Erkenntnisse beider Studien fliessen – in enger Zusammenarbeit mit weiteren Hochschulen, Medienpartnern und Agenturen – in die Konzeption einer Sensibilisierungskampagne für potenzielle Studienbewerber ein.
Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Im beschriebenen Untersuchungsbereich gibt es bisher keine Studie, die sich explizit aus Sicht der Medien mit dem Thema Ingenieurmangel beschäftigt.
Der Vergleich von aktueller Mediendarstellung und den Präferenzen der Zielgruppe gibt Aufschluss darüber, wie Bildungsanbieter, Medien, Verbände und andere Partner in Zukunft besser zusammenarbeiten und präziser kommunizieren können. Das Forschungsprojekt leistet damit einen Beitrag zur Theorie und Praxis der Mediennutzung und Medienverbreitung unter ausgewählten Altersgruppen der Bevölkerung.
Stand/Resultate
Das Projekt wurde wie geplant abgeschlossen. Es sind mehreren empirischen Studien sowie Kampagnenkonzepte entstanden:
a) Zwei Teilstudien Schülerbefragung (12 bis 16 und 17 bis 21 Jährige): Welches Ingenieurbild haben die Schüler?
b) Forschungsberichte über leitfadengestützte Interviews mit Journalisten und Kommunikationsabteilungen der Hochschulen: Wie entsteht das Medienbild im Zusammenspiel beider Seiten?
c) Zwei Teilstudien Medienmonitoring (klassische Medien/Social Media): Wie wird der Ingenieurberuf aktuell in den Medien dargestellt und wie wird das von der Zielgruppe diskutiert?
d) Vier alternative Kampagnenkonzepte und mediale Umsetzungen in Zusammenarbeit mit economiesuisse, swissmem, NaTech: Wie können Jugendliche für technische Themen und ein Ingenieurstudium/den Ingenieurberuf begeistert werden?
Die Pilotstudie «Ingenieurberufe in den Medien: Wahrnehmung und Attraktivität von Ingenieurberufen für potenzielle Studienbewerber», die in den Ostschweizer Kantonen durchgeführt wurde, bestätigt in vieler Hinsicht die in der Gesellschaft bereits bestehenden Klischees. Die Klischees, dass Mädchen weniger Interesse an technischen und handwerklichen Berufen haben als die Jungen, wurden in der Studie bestätigt. Dennoch wissen viele der Jungen, sowie auch der Mädchen nicht, was ein Ingenieur ist oder was er macht. Andererseits wissen sie aber sehr genau, welche Erwartungen sie an ihren zukünftigen Beruf haben: Er soll ihnen Freude bereiten, der Lohn hingegen ist besonders für Mädchen kein massgebender Aspekt.
Wenn es um so weitreichenden Entscheidungen wie die Berufswahl geht, dann werden die sozialen Informationsquellen, wie Eltern, Internet und Social Media bevorzugt. Eltern fungieren als erste Anlaufstelle, später aber bilden sich die Jugendlichen mittels eigener Medienrecherchen ihre Meinung und entscheiden dann selbständig. Hier könnten die Schulen stärker in beratender und steuernder Funktion agieren: Es hat sich gezeigt, dass das Medienbild über den Ingenieurberuf oft nicht der Realität entspricht oder aber von den Jugendlichen falsch interpretiert wird.
Ein interessanter Aspekt der Studie ist dennoch, dass die jüngere Zielgruppe das Geschehen in Fernsehserien oftmals als Realität ansieht. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Serie «The Big Bang Theory». Diese Serie verstärkt durch ihre Protagonisten, wie den nerdigen, bemutterten Howard Wolowitz, schon bestehende Stereotypen über den Ingenieurberuf. Eine 2013 in Deutschland gestartete Serie «Sturm des Wissens» zeigt da ein ganz anderes Bild. Die vorgestellten MINT-Studiengänge und -Berufe sind praxis- und alltagsnah, die dargestellten Charaktere vermitteln nicht das typische Bild des Strebers oder Nerds. Zudem erhält der Zuschauer den Eindruck, dass MINT-Berufe nicht männerdominiert sind. Kann das Bild dieser Berufsgruppe in solchen Serien verändert werden, würden Jugendliche das neue Bild vermutlich auch schnell als Realität akzeptieren.
Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer surft mehrmals täglich im Internet (inkl. Social Media). Das ist auch der Ort, an dem die meisten Jugendlichen schon einmal auf Ingenieurberufe aufmerksam geworden sind. Das Social Web birgt daher ein bislang unausgeschöpftes Potential, den Kontakt zwischen den werdenden Erwachsenen und dem Ingenieurwesen herzustellen.
Die befragten Jugendlichen haben meist ein positives Ingenieurbild aber gerade deshalb zum Teil zu grossen Respekt vor einem entsprechenden Studium. Diese Ängste gilt es abzubauen. Die Schulen könnten hier stärker mit der Praxis zusammenarbeiten, Unternehmen oder Projekte besuchen, Gäste einladen, Patenschaften pflegen etc.
Die Finanzierung durch die Gebert Rüf Stiftung hat zunächst eine Partnerfinanzierung ausgelöst. Durch den Förderverein der HTW Chur wurden erst aufgrund der Zusage der Gebert Rüf Stiftung Projektmittel in Höhe von CHF 22'580 bereitgestellt. Die Partner Microsoft und ARGUS haben jeweils Sachmittel (Dienstleistungen) in einer Gesamthöhe von CHF 30'000 beigetragen. Nach Abschluss der letzten Phase (Sensibilisierungskampagne) und begleitender Öffentlichkeitsarbeit wird eine praktische Fortsetzung des Projekts durch die Beratung und Umsetzung der Kampagne sowie eine (theoretische) Fortsetzung des Forschungsthemas zusammen mit weiteren Partnern erwartet.
Publikationen
Herzig, Yvonne / Jansky, Ines / Ovcina Cajacob, Amina (2015): Der Ingenieur, das unbekannte Wesen. Einfluss von Hochschulen und Medien auf die Wahrnehmung des MINT-Berufs. In: Publizistik. Springer VS, Wiesbaden. (Zurzeit läuft das Peer-to-Peer Verfahren.);
Jansky, Ines (2015): Studierende bei MINT-Studie mit im Boot. In: Wissensplatz, Magazin der HTW Chur. Ausgabe 1/2015. Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur, S. 12-13;
Ovcina Cajacob, Amina / Jansky, Ines (2014): Mediennutzung und Informationsbeschaffung über Studium- bzw. Berufswahl. In: Medienimpulse. Beiträge zur Medienpädagogik. Bereich: Forschung, Ausgabe 2/2014. Abrufbar unter:
http://www.medienimpulse.at/articles/view/652Ovcina Cajacob, Amina (2014): Ingenieurinnen und Ingenieure dringend gesucht: Darstellung des Berufsbildes in den Medien. In: Wissensplatz, Magazin der HTW Chur. Ausgabe 2/2014. Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur, S. 10-12
Ovcina Cajacob, Amina (2014): Mehr Ingenieure durch Soaps und Social Media. MINT Zirkel, Zeitung für Mathematik I Informatik I Naturwissenschaften I Technik. Klett MINT, Stuttgart. Ausgabe 9+10/2014, S. 14
Medienecho
10.11.2014, argus.ch/blog / Argus Blog: Ingenieure – alles Freaks, Nerds und Geeks? S. 1
10.10.2014, Bündner Tagblatt: Viele kleine Daniel Düsentriebs entdecken in Landquart die Technik, S. 3
8.10.2014, educa.ch (educa): Studie: Medienberichte zu Ingenieurberufe, S.5
8.10.2014, myscience.ch / Schweizer Portal Forschung/Innovation: Medien berichten positiv über den Ingenieurberuf), S.6
20.6.2013, Die Südostschweiz, Gesamtbeilage «Top-Arbeitgeber der Südostschweiz»: Mehr Junge für Technik begeistern, S. 8
Am Projekt beteiligte Personen
Letzte Aktualisierung dieser Projektdarstellung 03.11.2019