Projektbeschreibung
Der digitale Wandel beeinflusst den Umgang mit Geschichte und Erinnerung. Die Art und Weise, wie Menschen mit Vergangenem umgehen, ändert sich erheblich. Die Verbindung von Bildung und Unterhaltung wird zunehmend wichtig. Videogames sind dafür ein anschauliches Beispiel. In solchen Games wurde Geschichte jedoch bisher vor allem als attraktiver Unterhaltungsrahmen eingesetzt. Falls historisch-politische Bildung überhaupt angestrebt wurde, dann meist aus der Perspektive der Entwickler*innen. Das Fachwissen von Historiker*innen und Geschichtsdidaktiker*innen, um mit Erinnerungskulturen verantwortungsbewusst umzugehen, wurde selten genutzt. Ausserdem werden Games im schulischen Kontext noch kaum eingesetzt, um Jugendliche dort anzusprechen, wo sie auch in ihrer Freizeit stehen: in ihrem «Game-Universe». Hier setzt «When We Disappear» an: Es ist ein Videospiel an der Schnittstelle von Geschichte, Bildung und Unterhaltung (Histotainment), das die Geschichtsvermittlung im schulischen und ausserschulischen Kontext ins digitale Zeitalter führt.
Basierend auf recherchierten historischen Tatsachen und didaktischer Expertise versetzt das Videogame «When We Disappear» Gamer*innen in die Niederlande des Jahres 1943. Dort nehmen sie die Perspektive eines verfolgten Mädchens ein, das versucht, der drohenden Deportation zu entkommen. «When We Disappear» gibt einen eindrucksvollen Einblick in jene Zeit und greift bis heute aktuelle Schlüsselprobleme wie Flucht, Kollaboration und Widerstand auf.
Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zum unterhaltenden und interaktiven Erfahrbarmachen von Geschichte. Mit «When We Disappear» werden die Chancen des digitalen Wandels sichtbar gemacht, indem Bildungsinstitutionen für neue Formate im Allgemeinen und Games im Besonderen sensibilisiert werden. Darüber hinaus trägt das Projekt zu einer häufig geforderten, aber kaum umgesetzten Zusammenarbeit von gesellschaftswissenschaftlicher Forschung und wirtschaftlichen Unternehmen bei.
Inhaltlich ist das zu entwickelnde Spiel zugleich kreativ und innovativ, weil alle Aspekte – von der Storyline über die visuelle und akustische Gestaltung bis hin zu interaktiven Elementen – von historischen Tatsachen inspiriert sind. Damit entstehen wissenschaftlich fundierte und kreativ umgesetzte «Geschichten des Möglichen».
Stand/Resultate
«When We Disappear – Histotainment im digitalen Zeitalter» zeigt neue Umgangsmöglichkeiten mit Geschichte und Erinnerung im schulischen und ausserschulischen Kontext. Entwickelt wird das erste Kapitel des Videospiels, das «Episodic», welches eine Etappe einer Fluchtgeschichte während der Zeit des Zweiten Weltkrieges in Europa erzählt. Die Spieler*innen werden zu einer historisch-politischen Reflexion angeregt, indem vergangene und gegenwärtige Herausforderungen, aber auch Errungenschaften Europas, bildend und zugleich unterhaltend aufbereitet werden. Das Spiel umfasst insgesamt sieben Etappen, die den Fluchtweg der Hauptprotagonistin widerspiegeln.
Die erste Phase des Projekts startet im Frühjahr 2019 und dient vor allem der historischen Recherche und der visuellen Stilfindung des Episodics sowie des gesamten Videospiels. Darauf aufbauend folgt ab Sommer 2019 die Entwicklung der Game-Mechanik und erster Spielszenen. Bis Mai 2020 wird das erste Kapitel in Testklassen gespielt und anschliessend mittels User-Tests beforscht. Parallel dazu wird schulisches Begleitmaterial entwickelt, welches der Unterstützung der Lehrpersonen im Unterricht dient.
Die Erkenntnisse der Testphase werden genutzt, um das Probekapitel zu einem marktreifen Game mit mehreren Etappen auszubauen. Abhängig von der weiteren Finanzierung ist vorgesehen, dass das Spiel 2022 auf den Markt kommt und über Game-Plattformen angeboten und beworben wird.
Publikationen
Bunnenberg, Christian; Gautschi, Peter (2020):
Digital Public History. In: Public History Weekly, 8 (4);
Gautschi Peter (erscheint 2021): Umgang mit dem Thema „Holocaust“ im digitalisierten Unterricht. In: Azaryahu, Maoz; u.a. (Hrsg.): Holocaust-Gedenken und – Erinnern in schweizerischer und transnationaler Perspektive. Band 2 der Reihe „Erinnerungsräume. Geschichte – Literatur – Kunst. Böhlau Verlag, Köln;
Gautschi, Peter (erscheint 2021): Holocaust und historische Bildung. In: Dreier, Werner; Pingel, Falk (Hrsg.): 20 Jahre erinnern.at. Innsbruck: Studien Verlag;
Gautschi, Peter (erscheint 2021): History Education and the Digital Revolution – Theoretical Considerations and Two Particular Teaching Examples. In: Historical Consciousness – Historical Thinking - Historical Culture. Graz;
Wikipedia (2021): Histotainment. (bei «Beispiele von Computerspielen» ist ‘When We Disappear’ aufgeführt).
Links
Am Projekt beteiligte Personen
Prof. Dr. Peter Gautschi, Institut Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen, Pädagogische Hochschule Luzern
Dr. Anne Schillig, Institut Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen, Pädagogische Hochschule Luzern
Prof. Dr. Astrid Schwabe, Institut Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen, Pädagogische Hochschule Luzern / Seminar für Geschichte und Geschichtsdidaktik, Europa-Universität Flensburg
Prof. Dr. Hans Utz, Institut Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen, Pädagogische Hochschule Luzern
MA Yann Stricker, Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen, Pädagogische Hochschule Luzern
BA Simeon Schaffner, Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen, Pädagogische Hochschule Luzern
Robbert van Rooden, Inlusio Interactive
Robin Burgauer, Inlusio Interactive
Letzte Aktualisierung dieser Projektdarstellung 23.10.2023