Die «Polycythemia vera» ist eine Blutkrankheit, die zu den chronischen Leukämien gehört. Dabei kommt es zu einer gesteigerten Bildung von roten Blutkörperchen und ihren Vorstufen, was die Gefahr von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöht und in gewissen Fällen zu einer akuten Leukämie führen kann. Es gibt seltene vererbte Formen dieser Erkrankung, die autosomal dominant oder rezessiv vererbt werden kann.
Anhand von zwei Familien mit «Polycythemia vera» sollen die Gene identifiziert werden, die für diese Form von Blutkrankheiten verantwortlich sind. Bei der Suche nach den verantwortlichen Genen werden neueste Genanalyse-Techniken eingesetzt. Ist das Gen einmal identifiziert, soll ein Test entwickelt werden, mit dem die Krankheit frühzeitig erkannt und von anderen Formen der chronischen Leukämie unterschieden werden kann. Es besteht auch die Hoffnung, dass aus diesen Erkenntnissen neue Angriffspunkte für die Therapie gefunden werden können. Die Untersuchung der genetischen Ursachen kann zu einem besseren Verständnis der Mechanismen führen, die zur Entstehung von Leukämien im Allgemeinen beitragen.
Im Rahmen früherer Studien konnte bei einem Teil der Patienten mit erworbenen Formen von «Polycythemia vera» die Ursache der Erkrankung kürzlich aufgeklärt werden, was zur Entwicklung eines nun in der Testphase befindlichen Medikaments geführt hat. Das Studium der Ursachen von seltenen vererbten Formen von «Polycythemia vera» könnte weitere wichtige Aspekte der Kontrolle der Blutbildung und Leukämieentstehung aufklären.
Die Untersuchungen familiären Formen der Polycythemia vera mittels „Next-Generation-Sequencing“ haben im ersten Stammbaum (autosomal dominanter Erbgang) ein gutes Kandidatengen ergeben. Der Mechanismus, wie die von uns gefundene Mutation zu einer Überproduktion von roten Blutzellen führt ist aber noch unklar und wird zurzeit noch weiter untersucht. Im anderen Stammbaum (autosomal rezessiver Erbgang) konnte mittels DNA-Sequenzierung keine Kandidatengen-Mutation gefunden werden. Das von uns angewandte „Exom-Sequencing“ erfasst aber nur ca. 80% der Gene. Wir versuchen deshalb jetzt mittels RNA-Sequenzierung diese Lücken noch zu schliessen.
Bei den nicht-familiären Formen der Polycythemia vera haben wir eine effiziente und kostengünstige Methode etabliert, die es uns erlaubt eine grössere Zahl von Genen (ca. 100) bei unserer Kohorte von >200 Patienten/innen zu sequenzieren (Manuskript in Vorbereitung). Bei ca. 25% der Patienten/innen finden wir mehr als eine somatische Mutation. Es ergeben sich interessante Assoziationen zwischen den einzelnen Mutationen, die wir molekular weiter untersuchen. Ebenfalls ist eine erweiterte Studie geplant, die wesentlich mehr Patienten/innen einschliessen soll, die es uns erlauben wird Korrelationen zwischen dien verschiedenen Genmutationen und den klinischen Komplikationen der Erkrankung zu untersuchen.
Vererbte Mutation führt zur EPO-Überproduktion, März 2018
Wiestner, A. Schlemper, R.J. van der Maas, A.P.C., Skoda, R.C. An activating splice donor mutation in the thrombopoietin gene causes hereditary thrombocythemia. (1998) Nature Genetics, 18: 49-52;
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Theocharides, A., Boissinot, M., Girodon, F., Garand, R., Teo, S.S., Lippert, E., Talmant, P., Tichelli, A., Hermouet, S., Skoda, R.C. Leukemic blasts in transformed JAK2-V617F positive myeloproliferative disorders are frequently negative for the JAK2-V617F mutation. (2007) Blood, 110: 375-9;
Liu, K., Martini, M., Rocca, B., Amos, C.I., Teofili, L., Giona, F., Ding, J., Komatsu, H., Larocca, L.M., Skoda, R.C.. Evidence for a founder effect of the MPL-S505N mutation in 8 Italian pedigrees with hereditary thrombocythemia. (2009) Haematologica, 94:1368-74;
Schaub, F.X., Jäger, R., Looser, R., Hao-Shen, H., Hermouet, S., Girodon, F., Tichelli, A., Gisslinger, H., Kralovics, R., Skoda, R.C., Clonal analysis of deletions on chromosome 20q and JAK2-V617F in MPD suggests that del20q acts independently and is not one of the pre-disposing mutations for JAK2-V617F (2009) Blood, 113: 2022-7;
Schaub, F.X., Looser, R., Li, S., Hao-Shen, H., Lehmann, T., Tichelli A, Skoda, R.C., Clonal analysis of TET2 and JAK2 Mutations suggests that TET2 can be a late event in the progression of myeloproliferative neoplasms (2010) Blood, 115: 2003-7;
Pontus Lundberg, Axel Karow, Ronny Nienhold, Renate Looser, Hui Hao-Shen, Ina Nissen, Sabine Girsberger, Thomas Lehmann, Jakob Passweg, Martin Stern,Christian Beisel, Robert Kralovics and Radek C. Skoda, Clonal evolution and clinical correlates of somatic mutations in myeloproliferative neoplasms, Blood, 3 April 2014, Volume 123, Number 14.