Projektbeschreibung
Das Projekt will eine neue nicht-invasive Messmethode zur Überwachung der cerebralen Hämodynamik und Oxygenation mittels Farbstoffdilution und Nahinfratrotspekroskopie (NIRS) weiterentwickeln, validieren und klinisch etablieren.
Bisher stehen keine Messmethoden zur Überwachung von Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns bei Schlaganfallpatienten am Krankenbett auf der Intensivstation zur Verfügung. Über 12’000 Schweizer erleiden pro Jahr einen Schlaganfall. 20 - 30% der Patienten versterben und 40-50% der Überlebenden überstehen den Schlaganfall mit einer schwerwiegenden Behinderung. Der optimierten Therapie von Schlaganfällen kommt deshalb grösste sozioökonomiche Bedeutung zu.
Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Die Gebert Rüf Stiftung unterstützt das innovative Projekt aufgrund der hohen Wirksamkeit, die bei Erfolg erreicht werden kann. Die neue Methode erlaubt eine wesentlich verbesserte Überwachung und Therapie von Patienten mit Hirndurchblutstörungen (Schlaganfalltherapie).
Stand/Resultate
In den letzten 2 Jahren wurde in drei Projektphasen die konventionelle NIRS mit einem Farbstoffverdünnungsmodus zum bettseitigen CBF-Monitoring weiterentwickelt.
Projekt 1: Die tierexperimentelle Untersuchung einer möglichen zerebralen Toxizität von NIR-Licht-Exposition nach Injektion des Farbstoffs Indocyaningrün (ICG). ICG ist äußerst nebenwirkungsarm, von der FDA zugelassen und wird seit über 40 Jahren in der Kardiologie, Leberfunktionsdiagnostik und Augenheilkunde als Diagnostikum eingesetzt. Sein Absorptionsmaximum liegt im NIR-Lichtbereich bei 805nm. ICG stellt damit nach i.v Injektion ein idealer Indikator zur Erfassung von Farbstoffverdünnungskurven mittels NIRS über dem Kortex dar. Es wurde allerdings bisher nie untersucht, ob ICG bei defekter Bluthirnschranke (BHS) im Hirnparenchym akkumuliert und nach Exposition mit NIR-Licht phototoxische Effekte auftreten können. Bei 20 Ratten wurde eine mögliche zerebrale Toxizität von NIR-Licht nach ICG-Injektion untersucht. Bei 15 Ratten (5 Kontrollen) wurde die Bluthirnschranke (BHS) durch Injektion von Mannitol 20% in die A. carotis interna unterbrochen. Nach ICG-Injektion in einer Dosis von 5mg/kgKG konnte spektrophotometrisch in den Gehirnzellsuspensionen aller 5 untersuchten Ratten kein ICG nachgewiesen werden. Bei 10 Ratten mit defekter BHS wurde nach ICG-Injektion und NIR-Licht-Exposition während 60 Minuten kein intrazerebraler Temperaturanstieg oder histologische Zeichen eines Hirnparenchymschadens beobachtet. In der vorliegenden tierexperimentellen Anordnung wurden ICG-Dosis und NIR-Licht-Expositionsdauer entsprechend den Anforderungen zur CBF-Messung gewählt. Unter diesen Bedingungen waren keine Spuren von ICG, kein intrazerebraler Temperaturanstieg und keine histologischen Veränderungen im Hirnparenchym nachweisbar.
Projekt 2: Entwicklung und Validierung der neuen nicht-invasiven NIRS-ICG-Dilutionsmethode zur Messung des CBF und des zerebralen Blutvolumens (CBV) an 11 gesunden Probanden. Die neu entwickelte NIRS-ICG-Dilutionsmethode wurde mit der Perfusions-MRI als Standardmethode zur regionalen CBF-Messung mit hoher räumlicher Auflösung validiert. Bei 11 gesunden Probanden wurden 44 Vergleichsmessungen durchgeführt. 4 NIRS- Laserdioden (2 Emittoren und 2 Detektoren) wurden symmetrisch an der oberen Stirn auf der Kopfhaut fixiert. Nach peripher venöser Injektion von 25mg ICG wurden die Farbstoffverdünnungskurven mit dem Spektrophotometer (Oxymon) bihemisphärisch registriert. Neue Algorythmen zur Berechnung der regionalen mittleren Transitzeit von ICG (rmttICG), des regionalen CBF (rCBFNIRS) und des regionalen CBV (rCBVNIRS) wurden entwickelt. Da für klinische Bedürfnisse weniger Absolutwerte, sondern vor allem rCBF- und rCBV-Veränderungen von Bedeutung sind, wurden die Vergleichsmessungen jeweils ohne und mit einem mittleren kontinuierlichen positiven Luftwegsdruck (continuous positive airway pressure; CPAP) von 10mbar durchgeführt. Von Kolbitsch et al. zeigten, dass der mittels Perfusions-MRI gemessene rCBFMRI unter Spontanatmung mit CPAP 10mbar signifikant sinkt. Bei 6 Probanden war die Datenanalyse erfolgreich. Es traten keine mit der Messmethode assoziierten Komplikationen auf. Während der Spontanatmung mit CPAP 10mbar sanken sowohl die rCBFNIRS- als auch die rCBFMRI-Werte signifikant. Analysen nach Bland Altman zeigten, dass die mit den beiden Methoden gemessenen Werte mit keinem systematischen Fehler voneinander abwichen. 100% der Werte waren innerhalb des Intervalls Mittelwert + 2SD (limits of agreement = 32% des CBF-Mittelwerts). 8 von 12 der mit den beiden Messmethoden gewonnenen rCBF-Werte und 10 von 12 der rCBV-Werte sanken unter Spontanatmung mit CPAP 10mbar parallel. Mit der vorliegenden Arbeit konnte gezeigt werden, dass die NIRS-ICG-Dilution eine viel versprechende Methode ist, die auf der Intensivstation am Krankenbett einfach durchführbar ist. Die Übereinstimmung der neuen Messmethode mit der Standardmethode Perfusions-MRI scheint für klinische Fragestellungen befriedigend.
Projekt 3: Die Entwicklung einer neuen subduralen Messsonde zur Elimination der extrazerebralen Kontamination des NIRS-Signals und zur kombinierten Überwachung des intrakraniellen Drucks (intracranial pressure; ICP), CBF und CBV. Die Messresultate der transkutanen NIRS sind in der Literatur umstritten wegen des Einflusses extrazerebraler Strukturen wie Haut, Schädelknochen und Liquor auf das zerebrale NIRS-Signal. Um die Kontamination extrazerebraler Strukturen zu eliminieren, wurde eine kommerziell verfügbare Subduralsonde zum ICP-Monitoring (NMT-Neuroscience) mit Fiberoptikfasern und 2 Prismen zur NIRS ergänzt. Der Prototyp der selbst gefertigten Sonde konnte erstmals bei einem Patienten mit intrazerebraler Massenblutung nach chirurgischer Hämatomevakuation implantiert werden. Es traten keine mit der Messmethode assoziierten Komplikationen auf. 8 parallel durchgeführte Vergleichsmessungen mit konventioneller transkutaner NIRS und der NIRS-Subduralsonde nach ICG-Injektion zeigten, dass die rCBFNIRS- und rCBVNIRS-Absolutwerte, gemessen mit der NIRS-Subduralsonde höher sind. Dies steht im Einklang mit Angiographie-Befunden, die zeigen, dass die extrazerebrale Zirkulation langsamer ist und mit 133Xenon-Dilutions- messungen, die einen tiefen Blutfluss in extrazerebralen Strukturen dokumentieren. Die Subduralsonde zum kombinierten ICP- und CBF-Monitoring wurde im Juli 2000 europäisch patentiert. Die neu entwickelte Subduralsonde erlaubt es, den rCBFNIRS, das rCBVNIRS und die zerebrale Oxygenation direkt von der Hirnoberfläche ohne extrazerebrale Kontamination zu messen.
Schlussfolgerungen
Ziel des neurointensivmedizinischen Monitorings ist es, Penumbra bei ischämischen Schlaganfallpatienten zu retten und sekundäre Phasen zerebraler Ischämie und Hypoxie bei Patienten nach Hirnblutungen und nach schwerem Schädelhirntrauma frühzeitig zu erkennen und zu therapieren. Eigene klinische Erfahrungen, insbesondere in der Behandlung von Patienten mit schweren ischämischen Schlaganfällen und mit Vasospasmen nach Subarachnoidalblutungen, zeigten, dass die bis anhin verfügbaren Monitoringmodalitäten bezüglich Sensitivität und Spezifität ungenügend sind.
Die vorliegenden Projekte erlaubten es, ein neues Verfahren zur regionalen Überwachung der zerebralen Hämodynamik zu entwickeln. Es konnte gezeigt werden, dass die NIRS-ICG-Dilutionsmethode eine vielsprechende Technik zur nicht invasiven CBF-Messung seriell in Minutenabständen am Krankenbett auf der Intensivstation ist. Die neu entwickelte NIRS-Subduralsonde erlaubt es, die extrazerebrale Kontamination des NIRS-Signals zu quantifizieren und zu eliminieren. Das kombinierte Monitoring des ICP und von Parametern der zerebralen Hämodynamik ist von spezieller klinischer Bedeutung bei Patienten mit schwerem ischämischem Schlaganfall, Subarachnoidalblutung und Schädel-Hirn-Trauma, die sowieso eines ICP-Monitorings bedürfen und speziell zur Entwicklung von Sekundärischämien gefährdet sind.
Publikationen
E. Keller, M. Wolf, M. Martin, J. Fandino, P. Roth, Y. Yonekawa: Estimation of cerebral oxygenation and hemodynamics in cerebral vasospasm using indocyaninegreen (ICG) dye dilution and near infrared spectroscopy (NIRS). J. Neurosurg Anesthesiol, 2001, i13(1):43-48, IF: 0.934
E. Keller, H. Ishihara, A. Nadler, Y. Yonekawa, K. Frei: Brain toxity of Near Infrared Light (NIR) after Indocynanine Green (ICG) Dye Injection. J Cereb Blood F Met, 2001, submitted, IF; 5.714
E. Keller, A. Nadler, H.-G. Imhof, P. Niederer, P. Roth, Y. Yonekawa: New Methods for Monitoring Cerebral Oxygenation and Hemodynamics in Patients with Subarachnoid Hemorrhage. Acta Neurochir. Suppl., 2001, submitted
E. Keller, A. Nadler, P. Niederer, Y. Yonekawa: A noninvasive method to estimate cerebral hemodynamics and oxygenation in patients after aneurysmal subarachnoid hemorrhage with near infrared spectroscopy and indocyanine green. J of Cereb, Blood Flow Metabol., 2001, 21, S505
E. Keller, A. Nadler, P. Niederer, Y. Yonekawa: Near infrared spectroscopy (NIRS) in the adult head: elimination of extracerebral contamination by a new subdural NIRS probe. J of Cereb. Blood Flow Metabol., 2001, 21, S506
Stingele R, Keller E, Wagner B, Steiner T, Stingele K, Hacke W (2002) Arterial pulsations are present in one third of the human cranial vascular volume penetrated by near infrared light. Adv Exp Med Biol, in press
Keller E, Nadler A, Alkadhi H, Seifert B, Kollias S, Yonekawa Y, Niederer P (2002) Noninvasive measurement of regional cerebral blood flow and regional cerebral blood volume by near infrared spectroscopy and indocyanine green dye dilution. Neuroimage, submitted
Keller E, Nadler A, Niederer P, Yonekawa Y, Imhof HG (2002) Near Infrared Spectroscopy (NIRS) in the Adult Head: Elimination of extracerebral contamination by a new subdural NIRS probe. Neurosurgery, submitted
Hegner T, Krayenbühl N, Hefti M, Yonekawa Y, Keller E (2001) Bedside monitoring of cerebral blood flow in subarachnoid hemorrhage. Acta Neurochir, s77:131-4
E. Keller, A. Nadler, HG. Imhof, P. Niederer, P. Roth, Y. Yonekawa (2002) New methods for monitoring cerebral oxygenation and hemodynamics in patients with subarachnoid hemorrhage. Acta Neurochir, in press
Medienecho
keine
Letzte Aktualisierung dieser Projektdarstellung 07.11.2018